Geld als gesellschaftliches Medium, als Verdinglichung sozialer Verhältnisse im Kapitalismus und als Grundlage der Knappheit in einer Welt des Überflusses.
Tino Heim
„Zum Golde drängt, am Golde hängt doch alles. Ach wir Armen!“ seufzt Gretchen im ersten Teil von Goethes Faust und dass Mephisto im zweiten Teil das Papiergeld erfindet, macht die Sache nicht besser, sondern löst eine veritable Krise aus. Geld in seinen verschiedenen Gestalten gilt so nicht nur als Schmiermittel des ‚Wohlstands der Nationen‘ in der globalen Kapital- und Warenwirtschaft, sondern auch als teuflische Ursache aller individuellen Laster und gesellschaftlicher Übel. Eine (seit Luther antisemitisch grundierte) Geld- und Zinskritik und der Traum, durch Neuordnung des Geldes alle gesellschaftlichen Missstände kurieren zu können, sind bis heute wohlfeiler Ersatz für Kapitalismuskritik.
Dass regelmäßige Scheitern und die paradoxen Konsequenzen der Suche nach dem ‚alternativen Geld‘ (statt nach Alternativen zum Geld), zeigt allerdings, dass die Sache mit dem Geld nicht ganz so einfach sein dürfte. Ausgehend von Marx‘ ‚Kritik der politischen Ökonomie‘ ist das Geld als zentrales ökonomisches Medium schließlich nur ein verdinglichter Ausdruck der konkreten Formen, in denen gesellschaftliche Produktions-, Austausch-, Abhängigkeits-, Dominanz- und Ausbeutungsbeziehungen im Kapitalismus insgesamt strukturiert sind. Das betrifft die unmittelbar ökonomischen Lohnarbeits- und Konsumverhältnisse ebenso wie die Klassen- und Geschlechterverhältnisse oder das modernen Konstrukt der ‚romantischen Liebe‘ und die scheinbar intimsten Formen zwischenmenschlicher Beziehungen. Statt an der Vermittlungsform, müssten theoretische Kritik und praktische Kämpfe bei diesen Beziehungen selbst ansetzen. Denn überwinden ließe sich das Geld nur zusammen mit seinen gesellschaftlichen Grundlagen. Wo der absurde Selbstzwecks der Vermehrung des in Geld ausgedrückten abstrakten Reichtums zunehmend zur Verknappung und Vernichtung des stofflichen Reichtums an Gütern und frei verfügbarer Zeit, führt wäre dabei eine andere Gestaltung gesellschaftlicher Beziehungen jenseits der Geld- und Warenform nicht nur möglich, sondern auch nötig.