Der 7. Oktober 2023 stellt eine Zäsur dar. Das verheerendste antisemitische Pogrom seit 1945 brachte viel Leid über die Opfer des Terrorangriffs, deren Familien und Freund*innen sowie dem weltweit einzigen Schutzraum jüdischen Lebens, dem Staat Israel. Vergessen werden oftmals die nicihtjüdischen Toten und Entführten. Dieser Angriff galt allem jüdischen Leben und wird von vielen Seiten bis heute fortgeführt.
Eine Zäsur ist dieser Tag auch für die (radikale) Linke, weltweit. Schon am Tag des Pogroms selbst gab es in vielen Ländern Solidarität mit denen, die alles jüdische Leben vernichten wollen. Auch hierzulande kommt es kontinuierlich zu Solidaritätsbekundungen mit den als Widerstands- und Freiheitskämpfern glorifizierten Menschenfeinden.
Während die Feinde jüdischen Lebens allenthalben laut und öffentlichkeitswirksam auftreten, haben es die emanzipatorische Linke, auch wir, versäumt sich entschieden und wahrnehmbar gegen Antisemitismus, auch in den eigenen Reihen, zu artikulieren.
Wir laden euch deshalb zu einem gemeinsamen Austausch ein.
Slot 1 // 14:30 – 16:00 Uhr
Geschichte des Antisemitismus und des arabisch-israelischen Konflikts
In diesem ersten Teil werden wir uns mit der Geschichte des Antisemitismus in Zusammenhang mit dem arabisch-israelischen Konflikts auseinandersetzen. Wir werden dort auf Konfliktgegenstände wie Flüchtlinge, Jerusalem, Grenzen/Siedlungen sowie mögliche Zukunftsperspektiven eingehen.
Mit: Mid East Freedom Forum Berlin (Jahne Nicolaisen und Alissa Weiße)
Intersektionale Bündnisse gegen Israel – #MeeToo unless you’re a Jew
Wem feministische Solidarität gilt und wer davon ausgeschlossen ist, mussten Jüdinnen und israelische Frauen nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 bitter erfahren: Für sie galt die Grundüberzeugung der #MeToo-Bewegung nicht. Stattdessen formierte sich weltweit eine antisemitische Allianz, die die Gräueltaten der Hamas entweder leugnete oder rechtfertigte. Ausgerechnet emanzipatorische Kämpfe werden schon seit Jahren zunehmend zu Schauplätzen antisemitischer Verschwörung und antizionistischer Vernichtungsdrohungen. Der Vortrag zeigt anhand von Beispielen aus der jüngsten Vergangenheit, wie sich dieser intersektionale Ausschluss in Theorie und Praxis zeigt.
Mit: Merle Stöver (Journalistin und forscht zu Antisemitismus, Antiziganismus und Sozialchauvinismus. Sie setzt sich schon lange mit Antisemitismus innerhalb feministischer Bewegungen.
Slot 2 // 16:30 – 18:00 Uhr
Geschichte des Antisemitismus und des arabisch-israelischen Konflikts
Der zweite Teil wird den modernen Antisemitismus in seiner israelbezogenen Variante anhand von Beispielen aus Social Media seit dem 7. Oktober 2023 vorstellen. Hier werden wir die historische Perspektive (1. Teil) auf Antisemitismus mit gegenwärtiger Analyse und Logik des Antisemitismus ergänzen.
Mit: Mid East Freedom Forum Berlin (Jahne Nicolaisen und Alissa Weiße)
Was ist Antisemitismus? Was ist Israel?
Alle sind gegen Antisemitismus – und wissen nicht, was er ist. Antirassismus macht nicht automatisch dagegen immun. Antisemitismus ist ein Verschwörungsglaube mit uneingelöstem antikapitalistischem Anspruch. Er wurzelt im christlichen Antijudaismus, der die Juden zum „absolut Bösen“ erklärte. Europa hat ihn weltweit verbreitet. Seinen bisherigen Höhepunkt fand er in der Shoah.
Jede Jüdin auf der Welt weiß: Kommt es ganz schlimm, gibt es immer noch Israel. Das bestialische Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 zielte vorsätzlich auf dieses Schutzversprechen. Israel verstehen heißt seine Gegner verstehen. Wer von Israel als „Kolonialprojekt“ oder „Apartheidstaat“ spricht, hat nichts verstanden.
Mit: Lothar Galow-Bergemann schreibt u. a. für Jungle World und Emanzipation und Frieden.
Slot 3 // 18:30 – 20:00 Uhr
Das belastete Erbe. Warum sich die Linke kaum von ihrem Israelhass lösen kann
Warum gibt es in der Linken überhaupt Antisemitismus und Israelhass? Bei der deutschen Linken wird beides oft mit unbewussten Schuldgefühlen erklärt, die die Nachkommen der Nazi-Täter*innen wegen der Shoah abwehren. Der missglückte Sprengstoffanschlag der Tuparamos Westberlin auf die Jüdische Gemeinde im November 1969 zeigt den Zusammenhang sehr deutlich. Hinzu kommen für die Geschichte der radikalen Linken weitere Motive wie ein linker Nationalismus, der alle „nationalen Befreiungsbewegungen“ unterstützt – nur den Zionismus nicht -, oder ein personifizierter, fetischisierter „Antikapitalismus“, der einhergeht mit bestimmten Vorstellungen von „den Juden“. Dieses belastete Erbe prägt auch die Reaktionen auf den 7. Oktober 2023.
Mit: [Dr.] Olaf Kistenmacher ist Historiker, Journalist und seit 20 Jahren in der Bildungsarbeit aktiv.