Die jüdische Golem-Legende birgt im Kern den Traum des Menschen, Schöpfer zu sein und aus toter Materie Leben entstehen zu lassen – Leben, das darüber hinaus noch unter der Kontrolle des Menschen steht.
In »Der Golem, wie er in die Welt kam« (1920) verarbeitete der Regisseur und Schauspieler Paul Wegener diese Erzählung zu einem legendären Stummfilm, der auch aufgrund der kunstvollen Filmbauten Hans Pölzigs und der somnambulen Hauptfigur zu den Klassikern des expressionistischen und fantastischen Kinos zählt. Im Film, der im 16. Jahrhundert spielt, lässt Rabbi Löw durch mystische Praxis mit dem Golem einen willfährigen Diener mit übermenschlichen Kräften zur Rettung der jüdischen Gemeinde entstehen. Zunächst erfüllt er seinen Zweck und wendet die drohende Gefahr ab. Als er jedoch aus niederen Motiven zweckentfremdet wird, nimmt das Unheil seinen Lauf.
In unserer Gegenwart, in der Technik zunehmend autonomer vom Menschen wird und KI-Systeme in immer weitere Lebensbereiche vordringen, hat Wegeners »Golem« an Aktualität nichts verloren. Denn er wirft die Frage auf, wer Schuld und Verantwortung trägt: die Schöpfung oder der Schöpfer? Wie in den zwanziger Jahren, aber mit dem Blick von heute verleihen Katharina Stashik (Saxophon) und Dorothee Haddenbruch (Klavier) als Duo [M-Cine] Wegeners Film einen neuen Soundtrack, der klassisches Musikhandwerk mit jener Freiheit der Improvisation verbindet, die der Golem wohl eher nicht besitzt.