19:0020:00
03. Okt
( Konzert )
Obhut
  • Ingala Fortagne
    Klara Fabry
    Elena Schoychet
    Pina Rücker
    Lisa Maria Beyer
Wir haben nach Liedern gesucht, sowohl nach komponierten als auch überlieferten, in denen es auf ganz unterschiedliche Weise um den Schutz und die Obhut für das Kind geht. Oft hören wir dabei die Stimme der Eltern, und wir teilen mit ihr sowohl das Behütende und Hoffnungsvolle als auch ihr tragisches Scheitern. Das jiddische Wiegenlied "Rozhinkes mit mandlen" beschreibt die freudige Zukunft eines Kindes. In “Numi, Numi” und “Berceuse” werden dem Kind Geschenke versprochen, die der Vater bei seiner Heimkehr mitbringen wird. Oder es geht um eine Auseinandersetzung mit dem Vater - “Shlof mayn kind”. Im Gegensatz dazu thematisiert "Mother" von den Beatles die Einsamkeit eines verlassenen Kindes. Hanns Eislers Lieder drücken die Verzweiflung einer Mutter über Krieg und Elend in Deutschland aus und bei Franz Schubert beklagt die Mutter Maria ihren toten Sohn Jesus. In Tarquino Merulas frühbarocker "Canzonetta" wiegt sie ihr Kind in den Schlaf und erkennt, dass all ihre Liebe es nicht vor seinem Schicksal schützen kann.
Schon immer ließen sich Komponisten und Komponistinnen auch von Volksweisen inspirieren. Zum Beispiel hörte Georg Gershwin "Oj khodyt’ son" möglicherweise von seiner jüdisch-ukrainischen Mutter Rose Gershovitz - dies kann als Vorlage für seinen Welthit "Summertime" gedient haben. Darius Milhaud verarbeitete "Shlof mayn Feygele" in seiner "Berceuse“ aus den „Six chants populaires hebraiques" und ähnliche Melodien - wie "Numi, numi" und "Shlof mayn kind" - fanden sich in verschiedenen Texten und Sprachen wieder und passten sich den Kulturkreisen der Flüchtenden an. Besonders wichtig war es uns, die Lebensumstände der Singenden zu berücksichtigen. Arvo Pärts Darstellung des armseligen Stalls von Bethlehem verdeutlicht, wie bitter nötig Obhut für ein neugeborenes Kind eigentlich wäre. Lieder wie "Dremlen Feigl" und "Shlof mayn Feygele" wiederum wurden schon in früherer Zeit in vielen Ghettos gesungen. Unsere Version des hebräischen Gebets "Ani ma’amin" entstand dagegen erst im Warschauer Ghetto und klang auch aus den Zügen nach Auschwitz. In solchen Liedern werden wir schmerzhaft gewahr, wie fragil und zerbrechlich der kindliche Schutzraum oft ist.
Unser Ziel war es ausdrücklich, uns nicht nur auf einen Kulturkreis oder eine Religion zu beschränken. Auf der ganzen Welt benötigen Menschen und insbesondere Kinder Obhut und Schutz. Und auf der ganzen Welt ist dieser Schutz immer wieder gefährdet. Auch davon erzählen diese Lieder.
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