WUCAN
Wenn eine junge Band an die Musikgeschichte anknüpft, kommt es in der Musikpresse oft zu den üblichen Reflexen. Dem Verdikt Retro-Rock haftet das Stigma stumpfen Nachäffens vergangener Zeiten an. Einer Band wie Wucan wird man so nicht gerecht. Wucan brechen erstarrte Genre-Konventionen auf. Sie entwickeln mit Kreativität Neues auf der Basis einer Rocktradition, die in den späten 1960ern ihre Ursprünge hat und doch viel mehr als nur angloamerikanisch ist. Die Dresdener schließen weniger an die einschlägigen Acts an, sondern zollen der eigenen Geschichte Tribut.
Hand aufs Herz – wer kennt noch Hardrocker aus dem Osten wie Babylon, Berluc oder Blitzz?
Wucan hat von Anfang an ein Konzept verfolgt, dass die losen Enden des Hardrocks da zuknüpft, wo andere sie fallen ließen. Bewusst beziehen sie sich auf die europäischen Traditionen des Hardrocks. Was jedoch Wucan von Epigonen unterscheidet, ist der Zeitbezug. Wucan sind keine Eskapisten. Sie verorten sich im Hier und Jetzt. “Heretic tongues“ ist ein Album, das vom Diesseits spricht – nicht von Drachentötern. So möchten Wucans neue Songs auch textlich wahrgenommen werden.
Nicht ohne Grund wird das Publikum auf Deutsch adressiert, wenn es etwa um Zorn auf „Fette Deutsche“ geht. Weil es um Haltung geht. Weil es um Message geht.
Wucan verleihen Hardrock neue Aktualität und Dringlichkeit. Selbst bei einer Coverversion der Klaus Renft Combo („Zwischen Liebe und Zorn“) gelingt die Transposition in eine kontemporäre Lesart verblüffend gut. Bandleaderin Francis Tobolsky zeigt sich einmal mehr als charismatische Sängerin, die eine kraftvolle und glaubwürdige Gesangsperformance abliefert. Ihre Gesangsparts sind oft vielspurig, die Arrangements subtil durchkomponiert. Francis beweist auf der Höhe ihres Könnens, dass sie zu einer der besten Rocksängerinnen
in Deutschland avanciert ist.
Auch die Band hat sich spielerisch weiterentwickelt und experimentiert nicht nur mit Synthesizer und Theremin, sondern auch mit komplexen Klangteppichen. Dabei überraschen sie immer wieder mit gekonnten musikalischen Stilbrüchen von Metal bis Disko, ohne dabei das ursprüngliche Hardrock-Konzept zu verwässern. Die Querflöte, die schon oft als Distinktionsmerkmal herhalten musste, reiht sich nun in die Vielzahl von Instrumenten ein und erscheint dort, wo sie Sinn macht, ohne zu dominieren.
„Heretic tongues“ ist keine bloße Aneinanderreihung von Hits. Es ist ein Album zum Albumhören. Mit ihrer dritten LP bringen Wucan frischen Wind in die deutsche Rocklandschaft und belegen:
Hardrock is not a pose – it’s a lifestyle!