Sigmund Freud formulierte programmatisch, dass es nicht die Aufgabe der Psychoanalyse sein könne, zu sagen, was „das Weib ist“, sondern dass es der Psychoanalyse entspreche, zu fragen, „wie es wird“. Ausgerechnet die schon für Generationen von Feministinnen ein Stein des Anstoßes war und in Folge kritisiert, verworfen oder durch scheinbar bessere Modelle ersetzt wurde, scheint zur Klärung dieser Frage nicht unbedingt geeignet. Liest man die freudsche Theorie des Geschlechterverhältnisses, basierend auf Ödipuskomplex, Kastration und Penisneid, das infantile Drama um die Entdeckung der Geschlechterdifferenz am eigenen Körper allerdings als Urszene der Konstitution der psychischen Repräsentation von Differenz, als Bedingung der Möglichkeit, nicht nur von Unterschieden zu reden, sondern diese auch aushalten zu können, dann wird es komplizierter: Nicht nur zeigt sich dann, dass sich immer erst nachträglich sagen lassen wird, was aus der Verwicklung von Natur und Kultur im Subjekt geworden sein wird; es zeigt sich auch, wie gesellschaftliche Verhältnisse in Theorie und Rezeption wiederzufinden sind. In diesem Sinne stellt der Vortrag die Frage nach der Konstitution von Differenz und dem Unbehagen daran, das sich in der Sehnsucht nach „voller Identität“ ausdrückt. Prof. Dr. phil. Christine Kirchhoff, Professorin für Psychoanalyse, Subjekt- und Kulturtheorie an der Internationalen Psychoanalytischen Universität (IPU), Psychoanalytikerin (DPV/IPA).