Mit „Off Grid“ widmet sich Constantin Hartenstein im Kunstverein Dresden der Sichtbarkeit und den Ästhetiken queerer Communities in der DDR abseits des gesellschaftlichen Rasters.
In der Ausstellung zeigt Hartenstein mehrere beleuchtete Epoxidharz-Skulpturen in gestaffelter Raumanordnung sowie eine neue Videoarbeit. Die lichtblauen und transluzenten Werke sind mit Farbpigmenten angereichert, die zur Zeit der DDR industriell verwendet wurden. Das Epoxidharz festigt nicht nur die eingegossenen Pigmente in einer kristallinen Struktur, sondern bildet in seiner Oberfläche auch Reliefs in Form von Körpern, abstrakten Mustern und Textfragmenten aus.
Die blauen Skulpturen verweisen auf seltenes Bild- und Textmaterial aus speziellen Archiven und Magazinen. Sie nehmen Motive und Texte von Zeitschriften, Anzeigen, Flug- und Infoblättern auf, entfremden, vergrößern und re-kontextualisieren die queeren und insbesondere schwulen Ästhetiken der späten 1980er und frühen 1990er Jahre in Ostdeutschland. Die Videoarbeit widmet sich den ehemaligen Orten, die als Treffpunkte der Szene fungierten und als Räume von Sicherheit und Freiheit gleichermaßen gelesen werden können. Bestehende Leerstellen in der Auseinandersetzung mit dem Themenfeld werden von Hartenstein bewusst künstlerisch herausgestellt und befragt: Welche spezifischen Ausdrucksformen haben lesbische, schwule und queere Gruppen zur Zeit der DDR hervorgebracht und aktivistisch eingesetzt? Wie sah die Sichtbarkeit außerhalb der Orte und Treffpunkte aus, um über ein vermeintliches ‘Anders-Sein’ zu informieren und darauf aufmerksam zu machen? Was bleibt von dieser Sichtbarkeit gegenwärtig bestehen? „OFF GRID“ verhandelt damit zentrale Fragen zu Körperbildern, Männlichkeiten, Ausgrenzung, Zugehörigkeit und Akzeptanz, Vernetzung und Austausch und danach, wie wir Gemeinschaft(en) kreieren, die bis heute bedeutsam sind.
Constantin Hartenstein setzt sich in seiner künstlerischen Praxis mit der Konstruktion von Körper- und Männlichkeitsbildern vor dem Hintergrund unseres ästhetischen Bewusstseins auseinander. Er thematisiert Eingriffe zur körperlichen Optimierung von Individuen sowie das Verhältnis des Körpers und seiner Nahtstellen zur technisch geprägten Umwelt. Seine Skulpturen, Videoarbeiten, Installationen und Performances transportieren Fragen nach der individuellen Existenz in einer künstlich-maschinellen Umwelt, greifen Ästhetiken der Konsumgesellschaft und ihrer Daseinsformen auf. Sie richten den Blick auf die Machtansprüche von und an queere Körper und nicht zuletzt auf ihre normativen wie geschlechtlichen Codierungen.
Constantin Hartenstein (*1982) lebt und arbeitet in Berlin. Er studierte Kunst und Medien an der UdK Berlin und Freie Kunst an der HBK Braunschweig. Seit 2019 ist Hartenstein künstlerischer Mitarbeiter am Filminstitut der UdK Berlin.
Seine Arbeiten wurden in einer Vielzahl von Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt, u. a.: Studio Berlin (Sammlung Boros/Berghain), KUK Trondheim, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig, Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, Galerie im Turm Berlin, Neuer Aachener Kunstverein, Berlinische Galerie, Goethe Institute Peking, Kunstmuseum Bonn, Bundeskunsthalle Bonn und Goethe Institut New York. Er erhielt Förderungen und Preise u. a. von: Akademie der Künste Berlin, Stiftung Kunstfonds Bonn, Kunststiftung NRW, Institut für Auslandsbeziehungen und Karl Hofer Gesellschaft.
Kurator*innen: Sylvia Sadzinski und Alexander Wilmschen
Ort: Kunstverein Dresden e.V., Neustädter Markt 8, 01097 Dresden
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