Die Knöpfchendreher sind zurück. (Natürlich, das wussten wir eh.)
In Zeiten, da alle berühbaren Oberflächen täglich flacher und glatter werden; da Abläufe und Rechenvorgänge in digitalen Nanowelten grassieren und sich unseren Augen und Ohren entziehen; da der gute alte Blick unter die Motorhaube von den Großkonzernen nicht mehr erwünscht ist; in diesen Zeiten also haben in der Musikwelt die modularen Monster Renaissance, diese herrlichen gotischen Klangklötze zur Erbauung des Hörsinns und Verwirrung des Sehsinns.
Vorangetrieben wurde die Wiederentdeckung der einst als klobig, zeit- und raumraubenden Apparate u.a. von Vertretern der Circuit-Bending- und Analog-Kultur, in der es eben genau um den Blick unter die Motorhaube ging: wie funktioniert das Ding eigentlich und wie können wir es erweitern und uns aneignen?
Beim Modularsynthesizer lassen sich Ursache und Wirkung nachvollziehen, er fasst sich auch gut an mit all seinen bunten Knöpfen, Schiebereglern und Steckfeldern. Hier können Signalwege selbst bestimmt werden, der Zugriff ist direkt und intuitiv, ein umständliches Klicken durch Menüs ist nicht mehr nötig (höchstens ein Wühlen durch Kabelsalat). Und der Klang…jahaha, ich sage Ihnen: von pulsierender Schönheit und zwitschernder Elegance.
Und tatsächlich ist das gar nichts für Nerds, sondern sehr schnell zu erlernen und – je nach Modell – recht einfach zu bedienen.
Während uns aber früher, vor der digitalen Revolution, nur begrenzte Aufnahmekapazitäten zur Verfügung standen, weil Tonbänder und Audiokassetten nun mal Geld kosteten und nicht endlos bespielt werden konnten, ist der heutige Speicher im Computer schier unerschöpflich. Und so sammeln sich in den Heimstudios ungeheure Mengen an mitgeschnittenen Sessions an, die – na klar – „irgendwann“ nochmal geschnitten und zu Greatest Hits verarbeitet werden sollen.
Genau an dieser Stelle setzt dieser Workshop an. Denn das Ansammeln von Material allein hat noch nichts mit Komposition zu tun. Und es kann auf Dauer auch frustrierend sein, zu sammeln, ohne eine Essenz aus dem Gesammelten zu destillieren. Wie komponiert man eigentlich mit elektronischen Klängen, wo fängt das Musikmachen an und wie strukturiert man seine Sounds, um sie zu einem Song, einer Filmmusik, einem abstrakten Gebilde oder einem Clubtrack zu verdichten? Was lässt man weg, was fügt man hinzu? Elektroakustische Pioniere wie Asmus Tietchens oder Eliane Radique schaffen ganze Stücke aus nur einer einzigen Klangquelle. Stockhausen und die Klangmagier des BBC Radiophonic Workshop (Daphne Oram, Delia Derbyshire, John Baker, White Noise usw.) haben an einer Minute Musik manchmal monatelang gesessen, weil jeder Klangschnipsel einzeln aufgenommen und von Hand montiert werden musste. Niemand wünscht sich diese nervenaufreibende Kleinstarbeit zurück, aber sie hat zu genauem Hinhören und einer Zielsetzung beim Musikmachen geführt. Eine Zielsetzung, die den Zufall, das Spielen und das freie Experimentieren keinesfalls ausschließt, sondern für sich dienstbar macht, wie das Umlöten der Schaltkreise bei den Circuit-Bending-Künstlern. Vielleicht können wir aus der Ökonomie und Zielstrebigkeit dieser musikalischen Pioniere ein paar Volt für unseren Workshop abzweigen, indem wir uns einmal auf das Hören konzentrieren, auf das Komponieren und das Arrangieren von Klängen. Kurz gesagt: auf das Musikmachen.
Voranmeldungen bitte unter woernle@zentralwerk.de